Skip to content

Die Selbsterfahrung (Fortsetzung)

Neben der Gruppenselbsterfahrung empfehlen wir den PiAs eine Einzelselbsterfahrung im Umfang von mind. 25 Std in Anspruch zu nehmen, um wichtige Aspekte vertieft bearbeiten zu können. In der Einzelselbsterfahrung geht es darum, selber in die Rolle der Klient*in zu schlüpfen, die eigenen Grundüberzeugungen und Schemata kennenzulernen und eigene Themen, die durch die Arbeit mit Patient*innen angestossen werden, zubearbeiten. Bei der Suche nach einer passenden Einzelselbsterfahrungsanleiter*in sind wir Ihnen gern behilflich.

 

Warum brauchen wir Selbsterfahrung?

Vorbemerkung: Schemata sind automatisiert, relativ unflexibel, wenig situationsbezogen, kaum verbal repräsentiert, oft unbewusst (ausgelöst), weitgehend emotionsgesteuert, bzw. von starken Emotionen begleitet

Wir gehen (inzwischen) davon aus, dass die therapeutische Beziehung einer der wichtigsten Wirkfaktoren in der Therapie ist. Hierbei spielt die Fähigkeit der Therapeut*innen zugewandt, offen, kongruent, empathisch etc. auf die Klient*innen und ihre spezifischen situativen Verhaltensweisen, Befindlichkeiten, Bedürfnisse etc. eingehen zu können eine wichtige Rolle. Hierfür wiederum benötigen sie eine hinreichende psychische Flexibilität, hier gemeint als die Fähigkeit, sich auf das Hier und Jetzt der Situation konzentrieren und darauf reagieren zu können, sich dabei der eigenen inneren (häufig ursprünglich automatisch ablaufenden) Prozesse bewusst zu sein, sich aber nur dann auch danach zu verhalten, wenn sie situationsbezogen und nicht Ausdruck eigener Schemata sind. Sie müssen also in der Lage sein, sich Fragen zu stellen wie: „was löst die Klient*in bei mir aus?“, „hat das mit mir und unserer Beziehung zu tun oder löst die Klient*in diese Reaktion vermutlich in vielen Kontakten aus?“, „wie würde ich spontan am liebsten reagieren?“, „welche Motive stecken vermutlich hinter dem Verhalten der Klient*in“, „wie sollte ich angemessen reagieren?“ etc..

Um in diesem Sinne flexibel auf Klient*in reagieren zu können, sollten T. kritische Schemata von sich kennen und auch soweit bearbeitet haben, dass sie situationsunangemessene Reaktionen im Idealfall vermeiden, zumindest aber wahrnehmen und den dadurch entstandenen Prozess mit den Klient*in reflektieren können.

Hierzu gehören die Schritte: a) Kenntnis eigener zentraler, kritischer Schemata, b) Kenntnis der Trigger; c) die Fähigkeit, die Schemaaktivierung wahrzunehmen; d) in eine Beobachterposition zu wechseln und mit den eigenen Emotionen so umzugehen, dass e) nicht diese das Verhalten steuern, sondern eine „bedachte“, also reflektierte und bewusst gesteuerte, situationsangemessene Reaktion erfolgen kann. Um letzteres zu erreichen, bedarf es natürlich weiterer Lernprozesse, wie: achtsamer Umgang mit heftigen Emotionen, sich lösen von dysfunktionalen Überzeugungen, entwickeln und einüben alternativen, „richtigen“ Verhaltens, akzeptieren unangenehmer Gefühlszustände in dessen Folge etc.. All dies ist wichtig, um als Therapeut*in im positiven Sinne wirksam zu sein.

Selbsterfahrung stellt den Raum für diese Lern- oder besser persönlichen Entwicklungsprozesse zur Verfügung. Hinzukommt, dass die Therapeut*innen dabei sowohl die therapeutischen Vorgehensweisen erlernen, als auch „am eigenen Leibe“ erfahren, welche oft schwere und belastende Aufgabe die Klient*innen zu meistern haben. Dies sollte Geduld, Verständnis, Demut etc. fördern und vielleicht auch (oft beobachtbarem) überhöhten Anspruchsdenken (an sich und die Klient*in) entgegenwirken.

Therapeut*innen haben des Öfteren beim Beginn der Ausbildung wenig Erfahrung im Umgang mit heftigen negativen Emotionen und deren Evozierung („...dann kommt sie da nie wieder raus...“, „...ich bin schuld, wenn der sich umbringt...“). Um Unsicherheiten abzubauen, bedarf es eines Verständnisses für die Entstehung und Hintergründe der resultierenden Ängstlichkeit, aber auch des Erfahrens/Durchlebens von intensiven Emotionen und des konstruktiven Umgangs mit ihnen. Diese Erfahrung, sowohl aus der Klient*innen-, als auch aus der Therapeut*innenperspektive kann zur Entwicklung von Zuversicht, Gelassenheit und Mut beitragen.

Schließlich wäre noch zu vermuten, dass Therapeut*innen Modelle innerpsychischer Aktivität wie Modi, Teile etc. wesentlich besser und glaubwürdiger kommunizieren/vermitteln können, wenn sie sich selbst mit diesem Instrumentarium verstehen (und steuern) gelernt haben und dieses auch im Sinne begrenzter Selbstkundgabe „selbstverständlich“ einbringen können.

Anzumerken wäre noch, dass die Wirkung der therapeutischen Beziehung natürlich zum einen in der „Behandlung“ des Gegenübers (also im weitesten Sinne via operante Konditionierung) zu suchen ist. Zum anderen wirkt aber sicher auch das Vorbild (Modelllernen). Hierzu bedarf es des Vorlebens der dem Klient*in zu vermittelnden Prozesse (z.B. Umgang mit Fehlern, eigenen Schwächen, inneren Spannungszuständen, Bedürfnissen etc.), die die Therapeut*innen folglich erworben haben müssen.

Als letztes zum Setting: die Selbsterfahrung sollte auf 3 Säulen ruhen: Gruppen-, Einzel-Selbsterfahrung und Supervision. Die Gruppe scheint unverzichtbar, um durch Prozessbeobachtung und wohlwollendes Feedback kritisches Sozialverhalten der Therapeut*innen zu identifizieren/ bewusst zu machen und durch die Erfahrung, dass „alle“ mit Schwächen und Defiziten zu tun haben Scham, Widerstand etc. zu verringern, bzw. die die Bereitschaft, sich mit diesen Aspekten der Person auseinanderzusetzen, zu stärken. Sie bietet darüber hinaus die Möglichkeit eigenes schwieriges Verhalten und dessen Bearbeitung aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten/ zu erleben und sich so einem umfassenden Verständnis anzunähern: (teilnehmende) Beobachter*in, Therapeut*in, Klient*in.

In der Einzel-Selbsterfahrung können die Erkenntnisse vertieft und erweitert bearbeitet werden.

Die Supervision arbeitet dann mit den in der Selbsterfahrung erworbenen (Er-)Kenntnissen (und theoretischen Modellen) weiter und macht diese für die konkrete therapeutische Beziehung und das damit verbundene methodische Vorgehen fruchtbar.

zurück